Der Fischer und der Fisch

Ein Märchen von Thomas Sonnabend



Der Fischer und der Fisch


Es war einmal ein Fischer. Eines Nachts träumte der Fischer davon, den perfekten Fisch zu fangen; einen Fisch der so war wie er selbst. Also knüpfe er ganz früh am nächsten Morgen ein Netz und ging fischen. Doch alle Fische schlüpfen durch die Maschen, weil sie zu grob waren und das Netz blieb leer und der Fischer wunderte sich und zweifelte an sich selbst. Am nächsten Morgen knüpfte er in der Frühe ein engmaschiges Netz, doch das Netz war voll mit wertlosem Beifang und kein Fisch fand darin Platz und er wunderte sich und zweifelte an sich selbst. Wieder einen Tag später knüpfte er ein Netz, dessen Maschen nicht zu eng- und nicht zu grobmaschig waren, doch das Netz war übervoll mit Fischen die zappeln und das Netz zerriss und der Fischer wunderte sich und zweifelte an sich selbst. Also glaubte er daraus zu lernen und knüpfte abermals ein Netz und tatsächlich, diesmal war es voller Fische und der Fischer suchte seinen Fisch, diesen einen Fisch, diesen perfekten Fisch der so war wie er selbst. Er suchte und suchte, jedoch bevor er ihn finden konnte, waren alle Fische an der Luft erstickt und der Fischer verzweifelte vollends an sich selbst. Die Jahre vergingen und der Fischer wurde alt und gebrechlich. Da nahm er eines Tages, es war an seinem letzten Tag, eine Angel und siehe da, es verging nicht viel Zeit, da hatte er den perfekten Fisch - seinen Fisch - am Haken. Er zog ihn aus dem Wasser und der Fisch war ganz ruhig. Da löste der Fischer den Fisch vom Haken und ließ ihn zurück ins Wasser gleiten. Zufrieden mit sich, legte er sich an den Strand, schlief mit einem Lächeln im Gesicht ein und wachte nicht mehr auf und der Fisch durchkreuzt nun ruhig den Ozean.


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© Thomas Sonnabend

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