Beim Entdecken des Spiegelbildes

Narzissmus steht alltagspsychologisch und umgangssprachlich im weitesten Sinne für die Selbstverliebtheit und Selbstbewunderung eines Menschen, der sich für wichtiger und wertvoller einschätzt, als urteilende ("urteilend"; hier eben aus der Perspektive des "Unterlegenen", des sich "weniger wertschätzenden" Gegenüber [also seiner subjektiven Selbstwahrnehmung nach]) Beobachter ihn einschätzen (eben subjektiv). Ein Narzisst ist umgangssprachlich darüber hinaus jemand, der stark auf sich selbst bezogen ist und anderen Menschen zu wenig - ("zu wenig", wobei jedoch das "Ausreichend" immer eine Anspruchshaltung impliziert, der nur schwer gerecht werden kann [Opferhaltung]) - Beachtung schenkt.
Der umgangssprachliche Gebrauch des Wortes „Narzissmus“ schließt meist ein negatives moralisches Werturteil über die mit dem Ausdruck belegte Person ein (hier interessant, dass dieser, also der Bewertende, in diesem Sinne seine Moralvorstellung überträgt, also seine Ansprüche als, durch sein Gegenüber, nicht gerecht werdend wahrnimmt).
Ein mit dem Kampfbegriff Narzissmus belegter Mensch, kann den Ansprüchen der Gemeinschaft (Gemeinschaft als Gesellschaft im Großen [gesamtgesellschaftlich] wie im Kleinen [innerhalb eines Bezugs zu einem anderen, ihm nahestehenden Menschen] und der Interaktion zu dieser, nur eben nicht gerecht werden, da dieser Anspruch eben immer aus der Wahrnehmung der Wir-Bezogenheit resultiert, womit gleichsam konstatiert werden kann, dass der Wunsch sich eben nicht in eine Gesellschaft ein,- resp. sich ihr nicht unterordnen zu wollen, eben auf diese Gesellschaft narzisstisch wirkt.
Meist wird der Vorwurf des Narzissmus' von Menschen angewendet, die selbst angepasst, zu Selbstmitleid tendieren, Verantwortung eher outsourcen anstatt eigenverantwortlich handeln, emotional unreif sind und von der Meinung anderer abhängig und selbstgenügsame Menschen die emotional stabil, mit sich selbst, ihrem Leben und ihrer Lebenssituation zufrieden sind, werden von unstabilen Menschen, als narzisstisch wahrgenommen und von ihnen zuerst bewundert und bei Ernüchterung angefeindet.
Schon das Wahrnehmen eines "Narzissten" ist ein perspektivisches Zerrbild; aber ich denke, dass die Definition des Begriffes Narzissmus gesamtgesellschaftlich bereits im Wandel begriffen ist, von negativer Belegung hin zu wertneutraler. Insgesamt ist Narzissmus eine durchaus gesunde Eigenschaft, die vielen Menschen verlustiert gegangen ist, quasi amputiert wurde und viele Menschen sich eben ihres Wertes nicht bewusst sind.
Also gibt es hier eine unschärferelative Grenzlinie die immer auch eines Indikators bedarf und dieser Indikator ist hier eben die subjektive Wahrnehmung im Gegenüber.
Die Menschen, denen eine narzisstische Persönlichkeitsstörung attestiert wird (Beispiele: Trump, Putin, Erdogan et al.), sind im eigentlichen Sinne nicht narzisstisch; sie sind eben gar nicht fähig sich selbst zu lieben, sondern kompensieren dieses Defizit indem sie von aller Welt Liebe einfordern.

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