Die fetten Autojahre sind vorbei
An rund 50 Geländewagen ließen unbekannte Täter in dieser Woche die Luft aus den Reifen. Sie fordern die sofortige Stilllegung der Dreckschleudern. Grüne: Fahrer dieser Autos sind asozial
VON NANA GERRITZENAnzeige:
Und der Staatsschutz ermittelt wieder. Nach der Welle von Brandstiftungen, denen seit Januar mehr als 80 Autos zum Opfer fielen, müssen sich Autofahrer nun gegen einen neuen unbekannten Feind wappnen. In den vergangenen Tagen sind bei der Polizei mehr als 50 Anzeigen wegen platter Autoreifen eingegangen. Die Reifen wurden jedoch nicht zerstochen, lediglich die Luft wurde herausgelassen. Zuletzt traf es in der Nacht zum Donnerstag einen im Stadtteil Grunewald geparkten Wagen. Opfer der Reifendruckattacken waren bisher vor allem Fahrer hochmotorisierter Autos, darunter viele Geländewagen. Tatort war fast immer Charlottenburg-Wilmersdorf und Steglitz-Zehlendorf.
Die unbekannten Täter präsentieren sich als moderne Robin Hoods des Umweltschutzes. "Vorsicht. Ihr Reifen ist platt" heißt es auf dem Flugblatt, das an vielen der geplätteten Autos klemmte. Mit Hinweis auf die Klimaerwärmung und ihre weltweiten Opfer fordern die Verfasser "weniger heiße Luft". Die Nutzung "großer Monsterwagen" müsse man in diesem Kontext als entweder dumm oder böse bezeichnen.
Polizeisprecher Bernhard Schodrowski betont, dass es kein Kavaliersdelikt sei, die Luft aus Autoreifen zu lassen. Vielmehr handele es sich um ernstzunehmende Sachbeschädigung. Außer den Flugblättern liegen der Polizei bisher jedoch keine Hinweise zu den Tätern vor.
"Natürlich muss es verboten bleiben, einfach die Luft aus den Reifen zu lassen", sagt auch Michael Schäfer, Sprecher für Klimaschutz der Grünen im Abgeordnetenhaus. "Aber ich rege mich mehr über die Käufer dieser sogenannten Sport-Utility-Vehicles auf als über die, die ihnen die Luft rauslassen." Wer einen dicken Geländewagen fahre, schädige das Klima enorm - und das ohne jeden praktischen Nutzen. Abgesehen von Landwirten und Förstern sei niemand in Deutschland auf ein solches Auto angewiesen. "Alle anderen Geländewagenfahrer sind einfach asozial. Sie sollten gesellschaftlich genauso behandelt werden wie Leute, die Giftmüll in den Wald werfen." Schäfer zielt jedoch weniger auf die Reifen. Er fordert, diese teils mehrere Tonnen schwere Autos stärker zu besteuern. Laut Kraftfahrtbundesamt sind bundesweit rund 2,6 Prozent der angemeldeten Autos Geländewagen. In Berlin müssten demnach rund 30.000 Geländewagen ihr CO2-lastiges Unwesen treiben. "Und diese Klimakiller genießen, als Kleinlaster eingestuft, oft auch noch Steuervorteile. Ihre Besitzer sparen so jährlich 500 bis 700 Euro", schimpft Schäfer. "Diese ungerechte Bevorzugung gehört abgeschafft. Es kann nicht sein, dass die größten Verschmutzer noch belohnt werden."
Während Schäfer seinem Ärger zwar Luft macht, appellieren der oder die Täter bestimmt, aber höflich an den Verstand der Geländewagenfahrer: "Es gibt viele Alternativen, sich fortzubewegen. Wir wären Ihnen sehr verbunden, wenn Sie demnächst eine vernünftige wählen würden und die kurzfristige Stilllegung Ihres Riesenautos in eine langfristige verwandeln." (Mitarbeit: Regina Finsterhölzl)
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